Aus Cabeza Cuadra #4 1986
In der nun schon fast einzigartigen Reihe von Konzerten im Oberhausener Altenberg Zentrum, trat nun, organisiert von GARAGELAND und dem Moerser Fanzine FEVERISH, die umstrittene jugoslawische Kultband LAIBACH auf.
Warum LAIBACH in Jugoslawien von der Zensur verfolgt werden, sollte beim Oberhausener Auftritt recht schnell deutlich werden. So musste die recht reichlich erschienen Zuhörerschaft zu beginn des Abends erst einmal eine Weile diversen Reden (aus dem 3. Reich, sowie Kampfreden von Churchill und Mussolini) das Ohr schenken. Nach wagnerisch(?) anmutender Klassik begannen Laibach zu spielen. Schon vor dem eigentlichen Gig wurden die Reaktionen des Publikums spürbar. Vereinzelte Pfiffe – eine Karvevalströte… Pompös schetterte Klassisches aus den Boxen. Dann kamen LAIBACH auf die Bühne und schlugen mehr oder weniger „rhythmisch“ mit zwei Äxten auf einen Baumstamm ein.
Laibach sind nicht nur als reine Musiker zu verstehen – die Grenzen zwischen Musik und Art verschwimmen bei ihren Auftritten. Nicht von ungefähr werden Laibach auch mit J. Beuys in Verbindung gebracht, denn Laibach verstehen es ihre Auftritte mit happeningartigen Einlagen zu durchziehen. In Oberhausen gelang es Laibach nahezu perfekt. Durch das Zerhacken des Baumstamms ließen Laibach „Rhythmus entstehen“ – der Übergang von den Kampfreden hin zum Auftritt von Laibach war nahtlos. Laibach gelang es schon zu Beginn des Konzertes die gewohnten Erfahrungen der Zuschauer zu erschüttern.
Ein Film zeigte schwarz-weiß illustrierte Szenen von Jugoslawischen Widerstandskämpfern – aus einem Megaphon wurden gleichzeitig „Befehle“ ins Publikum gebrüllt. Traten Laibach in Jugoslawien in Nazimontur auf, so zeigten sie sich in Oberhausen in jugoslawischem Militärlook, was zeigt, dass sie sich den jeweiligen provokatorischen Grenzen anzupassen verstehen. Der strenge Bühnenaufbau, die mechanischen Gesten der Musiker, mit ihren starren hypnotischen Blicken, der schemenhafte Film, die Trommeln, die an ein Mittsommernachtsfest der HJ erinnerten, all das, trug zu einer brutalen und totalitaristischen Atmosphäre bei. Hier wird offensichtlich, dass sich Laibach mit massenpsychologischen Studien beschäftigt haben.
Begleitet von dumpf-langsamen Rhythmen, wird ein romanischer Tierfilm an die Leinwand geworfen. Die Musik steigert sich, nimmt immer bedrohlichere Formen an. Die Tiere im Film geraten in Panik; greifen einander an. Laibach schaffen ein aggressiv gereiztes Klima. Die Musik dröhnt laut durch die Halle. Die Bläserfanfaren erinnern an römische Monumentarfilme. Immer wieder Gebrüll und Parolen: „Wie befohlen!“
Nicht wenige Leute wandern bereits nach dem halben Konzert ab. Laibach passen nicht in die übliche Schablone: „Musik soll unterhalten“, „abgehen“. Die Jugoslawen wollen provozieren und nicht unterhalten. Der Zuhörer soll Reaktionen zeigen und Stellung beziehen. Man muss sich mit Laibach auseinandersetzen. Wer dies nicht tut (will oder kann) geht!
Wer nur den rein musikalischen Aspekt sieht wird der Band nicht gerecht, denn Laibach bewegen sich sich auf dem ebenso schmalen wie kontroversen Grat zwischen Musik und Kunst. Laibach will provozieren, die Erlebnisfähigkeit des Publikums soll gesteigert werden. Dahinter steht die neodadaistische Forderung einer Annäherung von Leben und Kunst. Politische Zuordnungen lehnen Laibach ab. Wer die Band ins rechte Lager abschieben will, macht es sich leicht, hat nicht genug reflektiert, legt Schablonendenken an den Tag. Diffamierungen sind MÖGLICH – an die Arbeit Sektierer!
J.C.
Zentrum Altenberg, Oberhausen 4.12.85
Siehe Seite 43 ff. im Buch...